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Asylbewerber im Teufelskreis

Ergebnisse einer empirischen Studie in Duisburg

Marion Lillig / Hermann Strasser

Im September 2003 nimmt die Polizei in einem Stuttgarter Vorort einen 19-jährigen schwarzen Asylbewerber aus Guinea fest, der soeben in einem Wohnviertel mit dem Verteilen von Gelben Seiten und Telefonbüchern beginnen wollte. Der junge Mann hat seinen Wohnsitz in einem nordrhein-westfälischen Asylbewerberheim. Dort bot ihm ein Unbekannter eine Tätigkeit an. Voraussetzung: Ein Arbeitstag auf Probe. Er erhielt eine Fahrkarte, um an den verabredeten Ort zu gelangen. Vor dem Zielbahnhof stand ein Lieferwagen mit den Büchern, man fuhr in die Stadt. Dort griff die Polizei zu.

Das Vergehen des Mannes bestand darin, gegen die Residenzpflicht1 verstoßen zu haben, die ihm das Verlassen eines bestimmten Gebiets innerhalb Deutschlands untersagt2. Die Beamten in Baden-Württemberg informierten die Behörden seiner Heimatstadt über die erfolgte Anzeige und schickten ihn zurück. In der Folge griff das für die Versorgung des Mannes zuständige Sozialamt zu einer üblichen disziplinarischen Maßnahme: Es strich ihm für zwei Monate die Sozialhilfe von je 202 €. Auf die Frage des zuständigen Betreuers, wovon sein Klient leben solle, erhielt er vom Sachbearbeiter die Antwort: „Die haben immer etwas gespart, da mache ich mir keine Sorgen." Hätte dieser Asylbewerber ausreichend begründen können, warum er sich darauf eingelassen habe, seinen Aufenthaltsbereich zu verlassen oder etwas zur Auffindung des unbekannten Anwerbers beigetragen, hätte das Sozialamt auf diese Strafmaßnahme verzichtet.

1. Das Problem

2. Definition und rechtliche Situation der Asylbewerber

3. Lebensbedingungen der Flüchtlinge

4. Ein Teufelskreis - gewollt oder unausweichlich?

5. Lösungen gefragt

Literaturverzeichnis

 

1. Das Problem

Vor welchem Hintergrund ist dieser Fall zu verstehen, und in welche Gegenwart ist er einzuordnen? Im Jahre 2002 haben in Deutschland 71.127 Asylbewerber einen Erstantrag auf Asyl und 20.344 einen Folgeantrag3 gestellt. Davon wurden 2.379 Anträge nach Art. 16 Abs. 2 anerkannt. Für weitere 5.728 Antragsteller wurden andere Abschiebungshindernisse festgestellt.4 Damit liegt der Prozentsatz der anerkannten Asylbewerber wie in den letzten Jahren bei rund 5%. Sie sind nach dem Sozialhilfegesetz einem deutschen Bürger gleichgestellt und unterliegen weder dem Arbeitsverbot noch der Verpflichtung, in einem Übergangsheim zu wohnen. Alle anderen befinden sich dagegen entweder im Schwebenden Asylverfahren oder in der Situation, dass ihr Asylantrag bereits abgelehnt wurde.

Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um männliche Personen unter 30 Jahren, meist allein stehend. Der junge Mann aus Guinea ist einer von ihnen. Ihr Alltag ist von Langeweile und Perspektivlosigkeit geprägt. Im Stadtbild fallen sie optisch besonders auf durch „Herumstehen in Gruppen", „Herumlungern" (z.B. am Bahnhof) und durch ihre Hautfarbe, denn ein großer Teil der jungen Männer stammt aus Schwarzafrika. Familien leben dagegen eher unauffällig. Schon durch die notwendige Versorgung der Kinder halten sie sich räumlich in Wohnheimnähe auf. Die besondere Lebenssituation der Asylbewerber, wozu die mangelnde gesellschaftliche Teilhabe, die angespannte Wohnsituation, der Statusverlust sowie oft mangelnde Bildung zählen, machen Konflikte mit der Mehrheitsgesellschaft unausweichlich. Dadurch kommt es zu Kontakten mit der Polizei.

Im Rahmen einer Teilstudie des DFG-Forschungsprojekts zum Thema „Polizisten im Konflikt mit ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen - Teilnehmende Beobachtung des Alltags von operativen Kräften" wurde das Verhältnis von Polizisten und Asylbewerbern in Duisburg untersucht.5

Die Ergebnisse sollten zugleich Verständnis- und Handlungshilfen für den Polizeialltag liefern, in dem sie die besondere Lebenslage der Asylbewerber innerhalb einer restriktiven Gesetzgebung mit ihren oftmals an die Grenzen des Zumutbaren gehenden Auswirkungen aufzeigen. Es soll hier weder die Realität verharmlost noch den Asylbewerbern eine Art Opferrolle zugesprochen werden. Die Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) spricht eine deutliche Sprache, wenn sie beispielsweise den Anteil Nichtdeutscher bei Straftaten wie Taschendiebstahl oder Handel mit Kokain mit mehr als 50 Prozent beziffert. (Eine eigene Erhebung über den darunter fallenden Anteil von Asylbewerbern gibt es leider nicht.) Die Auswirkungen des Asylverfahrensgesetzes auf das Leben dieser Menschen erzeugen allerdings nicht selten Situationen, die von den Betroffenen als Zwangslage empfunden werden, die sie mit informellen Strategien zu bewältigen suchen.

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2. Definition und rechtliche Situation der Asylbewerber

Die ethnische Minderheit innerhalb der Bundesrepublik, die wir unter dem Begriff Asylbewerber subsumieren, lässt sich kaum klar definieren. Anders als z.B. die Gruppe der Aussiedler, für deren Beschreibung der § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ausreicht,6 stellt die Gruppe der Asylbewerber die Behörden vor wesentlich größere Zuordnungsprobleme.

Vom 1.1.2002 bis 30.9.2002 lagen z.B. in NRW 14.093 Asylbegehren vor.7 Dies sind Anträge von aus politischen Gründen Verfolgten im Sinne des Grundgesetzes (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG). Dieses Grundrecht auf Asyl ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht. Unter asylerheblich sind die in der Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 1A Abs. 2) genannten Merkmale zu verstehen, nach denen ein Flüchtling eine Person ist, „die aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will" (Semnar-Höfling 1995: 85). Allgemeine Notsituationen wie Bürgerkriege, Naturkatastrophen, Arbeitsmangel und die daraus resultierende Armut sind als Gründe für einen Flüchtlingsstatus nicht ausreichend, damit asylunerheblich. Diese Menschen werden als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet und an Stammtischen, aber auch in den Medien nicht selten als Konkurrenten um Arbeitsplätze und Ressourcen hingestellt (vgl. Rittstieg/Rowe 1992: 22ff.).

Der § 30 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sagt dazu: „Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält." Populistisch wird in solchen Fällen gern der Terminus Asylmissbrauch verwendet und von Asylanten8 gesprochen.

Dazu kommen Flüchtlinge, deren Asylbegehren zwar bereits abgelehnt wurde, die aber aus humanitären (humanitäre Flüchtlinge), politischen, rechtlichen bzw. faktischen Gründen (z.B. Staatenlosigkeit) nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden und als De-facto-Flüchtlinge auf Zeit den so genannten Duldungsstatus besitzen (vgl. Bade 1994: 10f.). Duldung ist keine Form der Aufenthaltsgenehmigung, sondern nur eine zeitweise Aussetzung der Abschiebung. Diese Aufenthaltsgestattung wird immer nur für drei bis sechs Monate ausgestellt, was eine Abschiebung jederzeit möglich macht. Personen mit diesem Status heißen bei den zuständigen Behörden auch ausreisepflichtige Ausländer. Eine Abschiebung muss den Betroffenen lt. § 39 des AsylVfG einen Monat vorher mitgeteilt werden. In Duisburg leben Menschen, die zu dieser Gruppe gehören, seit bis zu 19 Jahren. Auf Grund der immer wieder nur um einige Monate verlängerten Aufenthaltsgestattung ist es für diesen großen Personenkreis praktisch unmöglich, eine Beschäftigung zu finden.

Obwohl das Recht auf Arbeit als soziales Grundrecht in der Deklaration der Menschenrechte von 1948 und in der europäischen Sozialcharta postuliert wird, steht es Flüchtlingen mit prekärem Aufenthaltsstatus in Deutschland nicht zu. Der § 19 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) schreibt für die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung von nicht-deutschen Arbeitssuchenden eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit vor. Dafür ist wieder eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes Voraussetzung, über die Asylbewerber nicht verfügen. Damit ist ihnen der legale Zugang zum Arbeitsmarkt zunächst verschlossen.

In Deutschland gilt seit dem 15. Dezember 2000 ein zwölfmonatiges generelles Arbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete - ab Einreisedatum. Nach dieser Zeit kann eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis9 unter der Bedingung einer vorangegangenen Arbeitsmarktprüfung erteilt werden: So wird von einem Flüchtling erwartet, dass er sich selbständig einen Arbeitsplatz, beispielsweise als Erntehelfer oder Reinigungskraft am Schlachthof, sucht. Gelingt es ihm, eine Arbeitsstelle zu finden, wird über das Arbeitsamt vier Wochen nach einem anderen Anwärter für diese Stelle gesucht, der entweder deutscher Staatsbürger ist oder aus einem EU-Land stammt. Erst wenn sich niemand findet, der diese Kriterien erfüllt, kommt der Asylbewerber infrage. Bis dahin ist allerdings die dreimonatige Aufenthaltsgenehmigung schon zusammengeschmolzen, und der potenzielle Arbeitgeber scheut oft den bürokratischen Aufwand für die verbleibende Zeit. In der Praxis heißt das, dass Flüchtlinge trotz Sprachbarrieren und der ihnen entgegen gebrachten Ressentiments Arbeitsmöglichkeiten suchen, von denen nicht sie selbst, sondern meist Andere profitieren. Nach Jahren vergeblicher Versuche löst dieses Verfahren bei den Arbeitswilligen Resignation und Mutlosigkeit aus.

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3. Lebensbedingungen der Flüchtlinge

Allein in Duisburg lebten im September 2002 mehr als 1.820 Menschen in den 26 Übergangsheimen der Stadt und 672 Menschen in insgesamt 181 beschlagnahmten Wohnungen10. Sie gehören rund 60 verschiedenen Nationen an und damit unterschiedlichen Kulturkreisen, Ethnien und Hautfarben. Diese Menschen reisen also mit den unterschiedlichsten Erfahrungen, Wertvorstellungen, Religionen sowie Erwartungen und - daraus resultierend - mit einem oft völlig verschiedenen Sozialverhalten in dieses Land ein. Zudem ist Deutschland nicht immer ihr ursprüngliches Fluchtziel gewesen ist, sondern z.B. England oder die Niederlande, da dort bereits Familienmitglieder leben. Zahlreiche Flüchtlinge hat es eher zufällig nach Deutschland verschlagen, wenn sie beispielsweise im Zug beim Versuch, in diese anderen Länder zu gelangen, aufgegriffen wurden. Viele werden durch Schlepper entweder direkt oder über einen so genannten Sicheren Drittstaat11 nach Deutschland gebracht und haben sich und ihre Familien dafür entweder finanziell ruiniert oder hoch verschuldet.

Aber wie sieht das Leben dieser Menschen in Deutschland aus? Die ersten Wochen bleiben sie in einer der großen Landesaufnahmestellen der Bundesländer, auch Sammellager genannt, in denen sie ihr Asylbegehren vorbringen. In Nordrhein-Westfalen sind dies z.B. Schöppingen, Unna-Massen und Hemer. Dort erhalten sie Taschengeld, Unterkunft und Verpflegung. Danach werden alle nach einem genauen Schlüssel auf verschiedene Städte verteilt. Wünsche nach einer bestimmten Stadt werden nicht berücksichtigt. Innerhalb der zugewiesenen Kommunen schreibt das AsylVfG, § 53, die Unterbringung von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingen als Sachleistung vor. Interpretiert wird dieser Passus zumeist als Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, also Wohnheimen. Diese Vorschrift endet nur mit der Anerkennung als Asylberechtigter oder bei Vorlage eines ärztlichen Attests über die Notwendigkeit einer anderen Unterbringung.

Nach seiner Ankunft aus einem der großen Sammellager in Nordrhein-Westfalen meldet sich der Asylbewerber bei einem Sachbearbeiter für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen der neuen Gemeinde. Dort wird ihm ein Heim zugewiesen, die Adresse genannt, der Weg erklärt und das Busticket für die Fahrt dorthin ausgehändigt. Der Mitarbeiter informiert das zuständige Haus über die Neuaufnahme, alles Weitere wird dort vorbereitet.

Die Stadt Duisburg versucht, mit der Standortwahl der Übergangsheime eine Gettoisierung zu vermeiden. So sind die Heime auf das gesamte Stadtgebiet verteilt und werden von den Bürgern als kleine Einheiten besser akzeptiert.12 Innerhalb der Heime bemüht man sich, gleiche Nationalitäten gemeinsam unterzubringen. Damit ist einerseits die Absicht verbunden, Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen vorzubeugen und andererseits Bewohnern Kontakt mit Menschen aus dem Heimatland zu ermöglichen. Allerdings ist es illusionär, anzunehmen, eine beispielsweise gemeinsame afrikanische Herkunft allein garantiere bereits ein konfliktfreies Zusammenleben. Afrikaner bewohnen zwar einen Kontinent; das macht sie jedoch nicht zu einer homogen Gruppe. Sie sprechen unterschiedliche Dialekte und, sofern sie eine Schule besucht haben, entweder Englisch oder Französisch. Genauso vielfältig wie ihre Herkunft ist der Bildungsstand dieser Menschen. Vom Analphabeten ohne Schulbildung über Handwerker, Kindersoldaten, Landarbeiter, Kunstmaler, Piloten bis hin zum Universitätsdozenten sind in den Duisburger Übergangsheimen alle Bildungsstufen zu finden.

Diese multikulturelle Gesellschaft auf Abruf lebt einerseits auf engstem Raum, aber doch ohne den richtigen sozialen Klebstoff zusammen. Einem Asylbewerber stehen in Duisburg, in Anlehnung an die Verfahrensweise bei Obdachlosen, ca. 10m² Raum zu.13 Einzelpersonen bewohnen zumeist Mehrbettzimmer mit gemeinsamer Küche, Dusche und Toilette, was auf Grund der beschriebenen Unterschiede in der Lebensweise und der Interessen zu Reibungen führt. Mangelnde Rückzugsmöglichkeiten, ständiger Lärm und häufige Verletzungen der Intimsphäre, wie sie in Gemeinschaftsunterkünften an der Tagesordnung sind, erhöhen das Konfliktpotenzial der Bewohner untereinander und untergraben auch die Übernahme von Verantwortlichkeit für den gemeinsamen Lebensraum. Daher sind in den Heimen oftmals Verwahrlosung oder Zerstörung zu beobachten. Nach Möglichkeit werden Familien eigene Räume zur Verfügung gestellt, Sanitärbereich und Küche müssen aber auch hier meist mit anderen geteilt werden. So beklagt sich eine 34-jährige Serbin, die mit ihrem Ehemann und den drei gemeinsamen Kindern seit zwei Jahren in einem Wohnheim lebt, darüber, dass sie die Einzige sei, die diesen gemeinsamen Bereich putze. Die anderen Mitbewohner seien allein stehende Chinesen oder Afrikaner, die sich um nichts kümmerten. Da ihr Mann dem Hausmeister oft bei anfallenden Reparaturen helfe, habe die Familie nun den Schlüssel zu einer eigenen Toilette bekommen - für sie bereits ein Luxus.

Das Amt für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen verfährt zur Sicherung des Lebensunterhalts dieser Personengruppe folgendermaßen:

Diese Leistungen werden von den Mitarbeitern eines Heimes, den so genannten Hausmeistern, beim zuständigen Sozialamt des Bezirks beantragt. Die Leistungen können gekürzt oder entzogen werden, wenn sich der Leistungsempfänger nicht regelmäßig im Heim aufhält oder wenn er sich nicht kooperativ am Asylverfahren beteiligt.14

Die damit verbundene Residenzpflicht , die der eingangs erwähnte Schwarzafrikaner verletzt hatte, wird von den Asylbewerbern als besonders einschneidend empfunden, heißt es doch im § 56 Abs. 1 AsylVfG: „Die Aufenthaltsgestattung ist räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt." Dieser Paragraph sorgt in Verbindung mit dem Zuteilungsverfahren für so manche menschliche Härte. Denn Asylbewerber werden nach einem bestimmten Zuteilungsschlüssel auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt (derzeit z.B. 22,4% in Nordrhein-Westfalen, 14% in Bayern). Nicht berücksichtigt wird dabei die ganze Familie; nur Eltern und minderjährige Kinder bleiben zusammen, andere Familienmitglieder werden unter Umständen „umverteilt". Der § 56 schränkt je nach Region noch weiter ein: Im Falle der Duisburger Asylbewerber ist der Aufenthalt nur auf den Bezirk Düsseldorf beschränkt. Damit lassen sich in vielen Fällen familiäre Bindungen kaum aufrechterhalten, selbst dann nicht, wenn z.B. erwachsene Geschwister oder Großeltern im Großraum Nordrhein-Westfalen leben.

Vor dem kulturellen Hintergrund ihrer Heimatländer sind oft gerade diese Bindungen für Flüchtlinge von besonderer Bedeutung. Die Familie ist in fast allen Herkunftsländern der Asylsuchenden Mittelpunkt des sozialen Lebens und Ort der Konfliktbewältigung in allen Lebenslagen. Durch die Flucht ist diese Halt gebende Instanz praktisch verschwunden, und es gibt kaum adäquaten Ersatz - mit oft fatalen Konsequenzen. Trotz Strafandrohung setzen sich daher immer wieder Flüchtlinge über dieses Verbot hinweg. P. aus Kamerun erhielt eine Geldstrafe von 500 €, als er eine Freundin aus seinem Heimatland besuchen wollte und in der Nähe von Aachen in eine Personenkontrolle geriet. Schwarzafrikaner werden häufig kontrolliert, da sie der Polizei auf Grund ihrer Hautfarbe besonders auffallen und ihre Beteiligung an Drogendelikten erfahrungsgemäß hoch ist. P. ist allerdings, wie der größte Teil der Asylbewerber, strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Die Höhe der Geldstrafe war für ihn existenzbedrohend. Eine Sozialarbeiterin intervenierte und erreichte eine Halbierung des Strafmaßes einschließlich einer monatlichen Ratenzahlung von 30 €. P. muss nun immerhin mehr als acht Monate mit einem Betrag von 172 € auskommen. Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl weisen seit langem auf den nur schwer nachvollziehbaren Sinn der Residenzpflicht hin, ebenso auf die Gefahr der Kriminalisierung durch aufzubringende Strafschulden. Kein soziales Netz fängt Menschen wie P. auf, die kaum in der Lage sind, mit dem verbleibenden Geld ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Im Rahmen unserer Befragungen wurden weitere Faktoren festgestellt, die das Leben der Asylbewerber belasten:

Selbst wenn diese Menschen „versorgt" sind, verändert sich die Schwierigkeit ihrer Lage nicht. Sie sind nicht handlungsfähig, denn sie unterliegen dem Ausländer- und dem Asylverfahrensgesetz17 - Vorschriften, die ihnen nur einen geringen Spielraum gewähren. Staatlicherseits wird ihre Integration nicht gefördert. So besteht für Asylbewerberkinder in Nordrhein-Westfalen keine Schulpflicht, Sprachkurse für Ausländer bleiben unverbindlich.18 Das unterstreicht das Gefühl, dass man unerwünscht ist, wie überhaupt den „Übergangsstatus" von Individuen, die hier nicht wirklich leben können, für die es aber auch in vielen Fällen kein Zurück gibt. Unter den Mitarbeitern der Wohnheime herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es für hier geborene und aufgewachsene Kinder im „Heimatland" keine Zukunft gebe. Nicht zuletzt erschwere mangelnde Integrationsförderung in Deutschland eine positive Zukunft.

Es stellt sich die Frage (und sie wurden uns von vielen Interviewten auf Seiten der Heimmitarbeiter und -bewohner immer wieder gestellt), was Menschen tun sollen, wenn ihnen eine legale Form der gesellschaftlichen Partizipation trotz aller Bemühungen versperrt bleibt - ungeachtet aller gesetzlichen Legitimation des Vorgehens des Gastlandes. Staats- und Volksmoral beginnen hier stellenweise weit auseinander zu klaffen.

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4. Ein Teufelskreis - gewollt oder unausweichlich?

Eine von Lillig (2003) durchgeführte Untersuchung über Handlungsmöglichkeiten von Asylbewerbern in Deutschland hat zu Tage gefördert, was Kritiker des Asylverfahrensgesetzes schon längst befürchtet haben, nämlich dass Flüchtlinge kriminalisiert würden, wenn sie versuchten, ein nach gesellschaftlichen Maßstäben normales Leben zu leben oder auch nur ihre Rechte zu vertreten. Verstöße gegen die Residenzpflicht sind nur ein Beispiel. Die Aufnahme von Schwarzarbeit gehört ebenso dazu. Sie hat gleich mehrere Ursachen, die jedenfalls nicht einfach unter dem vielen Asylbewerbern unterstellten „Bereicherungsgedanken" bei gleichzeitiger „Abzocke" von Sozialhilfe zu subsumieren sind. Auch wenn solche Gründe nicht auszuschließen sind, nehmen Flüchtlinge das Risiko illegaler Arbeitsaufnahme oftmals aus ganz anderen Gründen auf sich. Die beiden häufigsten sollen hier erläutert werden.

Arbeit verschafft über die ökonomische Sicherung hinaus immer auch soziale Kontakte, also das, was wir unter gesellschaftlicher Teilhabe verstehen. Entfällt sie, lassen sich bei Asylbewerbern - ähnlich wie bei Langzeitarbeitslosen - Auswirkungen feststellen, die Jahoda et al. (1978) bereits in ihren Untersuchungen über Die Arbeitslosen von Marienthal in den 1930er Jahren beschrieben haben. Erstens kommt es durch das Fehlen einer regelmäßigen Tätigkeit zum Wegfall einer geregelten Zeit- und Lebensstruktur. Dies führt zu einer Laisser-faire-Haltung, bei der es nicht darauf ankommt, wann man aufsteht, einkauft oder den Haushalt erledigt, da niemand wartet und keinerlei Folgen eintreten. Zweitens und wesentlich schwerwiegender ist das Fehlen eines vom Umfeld anerkannten Status, besonders für Männer im Exil. Sie verlieren ihre Autorität innerhalb der Familie, da man ihnen auf Grund ihrer Rolle als Ernährer und Beschützer im Herkunftsland Respekt zollte und sie hier als hilflos und abhängig erlebt werden. Ehefrauen und Kinder werden kontrolliert oder aggressivem Verhalten ausgesetzt. Drittens reduzieren sich die sozialen Kontakte auf das Umfeld des Wohnheims, was durch das „Aufeinanderhocken" intern zu Stress und Konflikten führt und extern zu der fatalen Außenwirkung beiträgt, dass Flüchtlinge von der einheimischen Bevölkerung als arbeitsscheu und integrationsunwillig erlebt werden (vgl. Lillig 2003, Klein/Strasser 1997).

Nimmt man alles zusammen, überrascht es nicht, wenn diese Menschen auch in dem Bewusstsein, sich strafbar zu machen, eine Arbeit annehmen. Einige äußerten sich eher trotzig in dem Sinne, dass sie eher die Pflicht hätten, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, als ein Arbeitsverbot zu akzeptieren.

Der zweite, von den Asylsuchenden selbst häufig vorgebrachte Grund für das illegale Ausüben einer Tätigkeit ist profaner, jedoch aus der Sicht eines Flüchtlings noch zwingender. Um ein Asylverfahren zu betreiben, benötigt man einen Rechtsbeistand und oft auch staatlich anerkannte Übersetzer für die Dokumente aus dem Heimatland. Eine Richtzahl für die Durchführung eines Vorganges liegt bei ca. 300 € Eigenbeteiligung und noch einmal so viel für den Dolmetscher. Solche Beträge können aus der gekürzten Sozialhilfe für Asylbewerber19 oft nicht ohne informelle Strategien aufgebracht werden. Schwarzarbeit ist nur eine davon, Ladendiebstahl und Hehlerei sind andere. In Kommunen mit Gutscheinpraxis, d.h. bis auf ein Taschengeld von 40 € können Asylbewerber nur bestimmte Waren über Wertgutscheine kaufen, wird versucht, diese gegen Bargeld einzutauschen, da es sonst schier unmöglich ist, Anwaltsrechnungen zu bezahlen. Die dafür unter der Hand gehandelten Anlaufstellen profitieren von dieser Not und halten oftmals 20% des Gutscheinwertes ein. Der Inhaber eines kleinen Geschäftes beispielsweise hat keine Skrupel, die Lage der Menschen auszunutzen. Sein Kommentar (Lillig 2003: 43):

„Jeder muss sehen, wo er bleibt. Die wollen doch nur unser Geld: Glauben Sie, das läuft bei denen zu Hause anders? Da wird doch nur geschoben."

Nicht wenige Heimbewohner, die im Rahmen der beiden o. g. Studien auch zu Straftaten in ihrem direkten Umfeld befragt wurden, teilten ihre Besorgnis auf Grund der selbst beobachteten Drogenkriminalität mit. Der Handel mit bzw. Konsum von Betäubungsmitteln kann sich nicht zuletzt wegen der desolaten Wohnverhältnisse in Gemeinschaftsunterkünften etablieren. So sind die Büros nur sporadisch und allenfalls bis in die Nachmittagsstunden besetzt, sodass kaum kontrolliert wird, was sich in einem Heim abspielt oder welche Besucher kommen und gehen. Asylbewerber erstatten kaum Anzeigen, da sie Vergeltung beschuldigter Mitbewohner befürchten müssen und sich darüber hinaus nicht dem Verdacht einer Mittäter- oder Mitwisserschaft aussetzen möchten. So können sich Dealer und Kunden einigermaßen sicher fühlen. Razzien finden nur statt, wenn eindeutige Verdachtsmomente vorliegen.

Eine weitere, bisher kaum thematisierte Problematik geht von dem Dunkelfeld der illegal in Deutschland lebenden Ausländer aus. Bewohner von Wohnheimen mit einer gemischten Struktur20 berichteten, dass ihre Küchen und sanitären Anlagen an den Wochenenden von Unbekannten benutzt würden. Teilweise würden sie regelrecht aus ihren Gemeinschaftsräumen vertrieben. Oftmals entstünden so Konflikte, die mit Gewalt einhergehen. Illegale, auch Papierlose genannt, gehen in den Zentren wie beispielsweise Düsseldorf einer Tätigkeit nach, verfügen aber nicht über Schlaf- bzw. Wohnplätze. Über Kontakte mit Asylbewerbern meist aus dem gleichen Herkunftsland werden Adressen ausgetauscht. Die sich korrekt verhaltenden und um Anerkennung bemühten Flüchtlinge in den Einrichtungen sind wehrlos und geraten einmal mehr in ein schlechtes Licht.

Große Ängste herrschen daher unter vielen Eltern, die ihren Nachwuchs in dieser Atmosphäre aufziehen müssen. Einige verbieten ihren Kindern, sich außerhalb der eigenen Wohnräume aufzuhalten, um einen Kontakt mit der kriminellen Szene auszuschließen. Sie wünschen sich schon aus Präventionsgründen mehr Polizeipräsenz. Gerade weil sie, wenn auch nicht so häufig wie von der einheimischen Bevölkerung antizipiert, von solchen Straftaten innerhalb ihres Milieus wissen, äußern sie sogar Verständnis für die den Asylbewerbern entgegengebrachten Vorurteile, meist jedoch verbunden mit dem Hinweis, dass „diese Kriminellen unserem Ruf im Allgemeinen schaden" und sie sich dafür schämten. Eine Mutter sagt dazu (Lillig 2003/Interview-Anhang: 28):

„Die Deutschen machen einen Fehler: Gute Leute müssen gehen und schlechte schaffen es (zu) bleiben. Die Familie nebenan klauen alles, Mann oft in Knast, viele Drogen, kommen wieder und bleiben hier. Kind gehen nicht in Schule. Sind die Deutschen blind?"

Diese sehr emotional vorgebrachte Stellungnahme einer unter ihren schwierigen Lebensumständen leidenden Asylbewerberin enthält die Aufforderung an unsere Gesellschaft, die Augen zu öffnen für das, was das geltende Asylrecht, wenn auch ungewollt, an Konsequenzen mit sich bringt, nämlich Räume, in der sich eine Subkultur fast ungestört entwickeln kann. Die autochthone Gesellschaft kommt mit dem Leben der Asylbewerber nicht in Berührung und ist meist falsch über die wahren Lebensumstände und gesetzlichen Restriktionen dieses Personenkreises informiert. Kontaktpersonen sind fast ausschließlich städtische Mitarbeiter oder Sozialdienste wie die Caritas oder die Arbeiterwohlfahrt. Die Bevölkerung stützt sich bei ihrer Meinungsbildung auf die Medien oder das Hören-Sagen. So hat sich beispielsweise auch der Begriff Asylant anstelle von Flüchtling oder Asylbewerber durchgesetzt (siehe Fußnote 8). Unterstützt durch die mediale Verbalpanik, die u.a. in der „Asylantenflut" oder der „Flüchtlingsschwemme" zum Ausdruck kommt, hat sich ein ausschließlich negatives Bild der gesamten Gruppe entwickelt, das keinerlei Differenzierung zulässt und das ursprüngliche Anliegen der Genfer Konvention vernachlässigt.

Wenig überraschend, kommt daher Pro Asyl (Kothen 2002:67) zu einem vernichtenden Urteil:

„Flüchtlinge sind hier unerwünscht. Als Mittel staatlicher Abschreckungspolitik sind sie in einem umfassenden Gespinst aus Bevormundung, Entmündigung und täglicher Erniedrigung gefangen, das ihren Alltag prägt. Verelendung und Isolation von Flüchtlingen sind keine zwangsläufige Folge ihres Flüchtlingsschicksals. Sie sind der vom Gesetzgeber gewünschte und insbesondere durch das Asylbewerberleistungsgesetz organisierte Regelfall."

Leider bestätigen unsere Beobachtungen diese Aussagen im Allgemeinen, wenn auch nicht in jedem Einzelfall. Zweifellos ist die Gefahr der Kriminalisierung mit dem dadurch beschleunigten Teufelskreis nicht von der Hand zu weisen. Ebenso wenig wie erfahrene Erniedrigungen, der Verlust der eigenen Würde und jeglicher Mangel an Anerkennung durch die einheimische Bevölkerung auf die Dauer nicht zu mehr Respekt vor den Gesetzen der Aufnahmegesellschaft führen.

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5. Lösungen gefragt

Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl oder die Sozialdienste der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt oder der Katholischen Frauen sind in ihrer Funktion als Anlaufstelle für Asylsuchende zumeist gute Kenner der Szene. Sie versuchen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen. Unsere Recherchen zeigen allerdings auch, dass die Mitarbeiter vor Ort nur den Mangel verwalten und die Verhältnisse, in denen ihre Klienten leben, nur selten verbessern können. Allein die zentrale Unterbringung in meist abbruchreifen Häusern oder speziell aufgestellten Containern erzeugen Verwahrlosung und räumliche Enge, die wiederum Konflikte fördern. Hier kann nur auf die positiven Auswirkungen einer dezentralen Unterbringung verwiesen werden, wie sie beispielsweise in einigen Kommunen Niedersachsens praktiziert wird. Familien werden Wohnungen in deutscher Nachbarschaft zur Verfügung gestellt, die Renovierung obliegt ihnen selbst und das Stigma des Asylantenheims entfällt. Das Sozialverhalten bessert sich nachhaltig, die Kosten sind nicht höher als die der Aufrechterhaltung eines Wohnheimes. Einzelpersonen erhalten zumindest ein eigenes Zimmer.

Das Arbeitsverbot bzw. die Praxis der beschriebenen Arbeitsmarktprüfung führen zu Langeweile, Frustration, Alkoholkonsum und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf das direkte Umfeld der Asylbewerber. Hier müssen die Sozialarbeiter häufig versuchen, Streit zu schlichten oder schlimmstenfalls den Umzug betroffener Bewohner in andere Heime organisieren. Befragte Flüchtlinge würden jede Art von Arbeit aufnehmen, wenn sie die Möglichkeit dazu bekämen, wenn auch hier Ausnahmen die Regel bestätigen. Den Arbeitsämtern ist längst bekannt, dass gewisse „schmutzige" Tätigkeiten von Einheimischen entweder nie übernommen oder schnell wieder aufgegeben werden. Deshalb ist das Argument auch nicht haltbar, dass Ausländer Deutschen zustehende Arbeitsplätze wegnehmen würden. Auch eine schlecht bezahlte Tätigkeit würde den Geldbeschaffungsdruck der Flüchtlinge beheben. Angesichts der sich oft lange hinziehenden Asylverfahren bringt uns auch das häufig vom Bürger auf der Straße angeführte Argument „Die hatten zu Hause auch nicht mehr" nicht weiter.

Wir wollten mit diesen Überlegungen nicht zuletzt darauf hinweisen, dass für die hier diskutierte Problematik jede Verallgemeinerung fehl am Platze ist. Kein System ist vor Missbrauch geschützt, und so werden auch hier Einzelne das bestehende soziale System ausnutzen oder ihr kriminelles Potenzial entfalten. Dies gilt für Einheimische wie für Asylsuchende. Der größte Teil der Flüchtlinge hat jedoch in diesem Land Schutz gesucht und die Heimat unfreiwillig verlassen. Kein Mensch flüchtet ohne guten Grund. Viele kommen aus „guten Verhältnissen" und leiden nicht nur unter den Folgen ihrer Flucht und des Verlustes ihrer Familien und Freunde, sondern auch unter der schmerzlich empfundenen Ablehnung und erfahrenen Diskreditierung ihrer Persönlichkeit durch die einheimische Bevölkerung und ihrer Institutionen. So gehören Behördengänge zu den von Flüchtlingen am häufigsten gefürchteten Situationen. Viele empfinden diesen modernen Canossa-Gang als erniedrigend bis demütigend, auch wenn es durchaus positive Beispiele des Umgangs zwischen Sachbearbeitern und Klienten gibt.

Der Wunsch nach mehr Polizeipräsenz in Wohnheimnähe wurde schon mehrfach erwähnt. Im Gegensatz zu ihren Ansichten über die Polizei ihrer Herkunftsländer bewerten die meisten Flüchtlinge die hiesige Polizei durchaus positiv.21 Das heißt nicht, dass ihre Anzeigebereitschaft hoch ist, aber nach ihren Erfahrungen würden regelmäßige Kontrollgänge eine sich sonst ungestört entwickelnde Kriminalität bereits eindämmen. Das wäre auch unter Kosten-Nutzen-Erwägungen eine vernünftige Maßnahme, die in einer gesellschaftlichen Grauzone zur Deeskalation beitragen könnte - jedenfalls solange die Aufnahmegesellschaft nach dem Prinzip der Gettoisierung von Asylbewerbern verfährt und diese Menschen gezwungen sind, ein oft Jahre dauerndes untätiges Warten zu ertragen.

Weitere Publikationen von Frau Lillig:

- Überleben im deutschen Exil, IKO-Verlag 2004

- Polizei und Asylbewerber -

eine Studie in den Duisburger Beiträgen zur Soziologischen Forschung 2004

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Literaturverzeichnis

Amnesty International (Hrsg.), 2001, Jahresbericht 2001, Frankfurt am Main.

Bade, K.J., 1994, Ausländer, Aussiedler, Asyl, München.

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Landeskirchenamt und Diakonisches Werk, Hrsg., 1994,: Handreichung für die Arbeit mit Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Kirchengemeinde, Kassel, 3. Aufl.

Jahoda, M. / Lazarsfeld, P.J. / Zeisel, H., 1978, Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt am Main.

Klein, G. / Strasser, H. (Hrsg.), 1997, Schwer vermittelbar: Zur Theorie und Empirie der Langzeitarbeitslosigkeit, Opladen.

Kothen, A., 2002, Rassismus hat viele Gesichter, in: Jäger, M. / Kauffmann, H. (Hrsg.), 2002,, Leben unter Vorbehalt. Institutioneller Rassismus in Deutschland, Duisburg, S. 55-67.

Kühne, P. / Rüßler, H., 2000, Die Lebensverhältnisse der Flüchtlinge in Deutschland, Frankfurt am Main.

Lillig, M., 2003, Überleben im deutschen Exil. Zur Lage und zu den Handlungsmöglichkeiten von Asylbewerbern, Diplomarbeit an der Universität Duisburg-Essen, Duisburg.

Nuscheler, F., 1995, Internationale Migration, Flucht und Asyl, Opladen.

Rittstieg, H. / Rowe, G.C., 1992, Einwanderung als gesellschaftliche Herausforderung. Inhalt und rechtliche Grundlagen einer neuen Politik. Eine Untersuchung im Auftrag des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, Baden-Baden.

Semnar-Höfling, B., 1995, Flucht und deutsche Asylpolitik, Münster.

Stoffels, M., 2002, Residenzpflicht, in: Jäger, M. / Kaufmann, H. (Hrsg.), Leben unter Vorbehalt. Institutioneller Rassismus in Deutschland, Duisburg, S. 69-76.

Strasser, H. / Zdun, S., 2003, Ehrenwerte Männer: Jugendliche Russlanddeutsche und die deutsche Polizei, in: Journal der deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ), Heft 3, S. 266-271.

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1 „Der Begriff der Residenzpflicht stammt aus dem kanonischen Recht der römisch-katholischen Kirche und meint dort die Verpflichtung geistlicher Würdenträger, bis auf Urlaubszeiten am Amtsort dauernd anwesend zu sein... Hebt die kirchliche Residenzpflicht die hohe Bedeutung derer hervor, die ihr unterliegen, so ist die heutige Residenzpflicht für Flüchtlinge eine diskriminierende Einschränkung in die Lebensführung" (Stoffels 2002:69).

2 Im Falle des Guineaners gilt die Aufenthaltsbeschränkung für das gesamte Gebiet Nordrhein-Westfalens, oftmals bezieht sie sich jedoch nur auf Regierungsbezirke bzw. Landkreise.

3 Neuer Antrag auf Grund von geänderter Sachlage, z.B. politische Veränderungen im Heimatland.

4 Vgl. Statistiken des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BaFl): http://www.bafl.de/ (Stand: 15.10.2003).

5 Zu diesem Zweck wurden im Sommer 2002 70 qualitative Leitfadeninterviews in Gemeinschaftsunterkünften quer durch das Duisburger Stadtgebiet durchgeführt. Dabei wurde auf die Unterschiedlichkeit der Herkunftsländer, des Alters und des Familienstandes der Interviewpartner Wert gelegt. Es wurden ausschließlich Personen befragt, die sich hinreichend auf Deutsch, Englisch oder Französisch verständigen konnten.

6 Dieser Absatz des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes definiert Aussiedler als „Vertriebene mit deutscher Volkszugehörigkeit aus osteuropäischen Ländern sowie der ehemaligen UdSSR".

7 Quelle: Bezirksregierung Arnsberg, Pressestelle.

8 Der Begriff Asylant hat sich vielerorts anstelle des Begriffs Flüchtling oder Asylbewerber durchgesetzt und ist „ - oft unbewusst - ablehnend, wie viele Bezeichnungen, die mit 'ant' enden (z.B. Spekulant, Querulant, Bummelant, Demonstrant, Ignorant, Simulant, Denunziant). Bei 'Asylant' haben viele Menschen bereits (negative) Assoziationen im Kopf ('Asylanten'? Das sind doch...), die sie mit diesem Begriff verbinden. Dadurch wird die zentrale Frage nach dem 'Warum' oder/und 'Woher' gar nicht erst gestellt" (Evgl. Kirche von Kurhessen-Waldeck 1994: 37).

9 Damit ist eine Arbeitserlaubnis für einen bestimmten Arbeitsplatz gemeint.

10 Ein Begriff, der eine Wohnung bezeichnet, die z.B. durch Leerstand von der Stadt angemietet wird.

11 Vgl. AsylVfG § 29a über den Sicheren Herkunftsstaat. Danach ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn sich der Flüchtling vor dem Grenzübertritt nach Deutschland bereits auf einem anderen für ihn sicheren Staatsgebiet aufgehalten hat, beispielsweise den Niederlanden, Belgien oder Frankreich.

12 In vielen Städten des Landes gibt es immer wieder Proteste der Anwohner, auch bereits in der Planungsphase, gegen Übergangswohnheime. Eine diesbezügliche Untersuchung für die Stadt Dortmund findet man in Kühne/Rüßler 2000.

13 Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) sind 4,5 m² Wohn- und Schlaffläche zuzüglich der Gemeinschaftsräume zugrunde zu legen. Ein deutscher Dackel hat immerhin einen Rechtsanspruch auf einen 6 m² großen Zwinger (vgl. Nuscheler 1995: 175).

14 Er ist z.B. verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität und Herkunft mitzuwirken. Viele Schlepper nehmen den Flüchtlingen sämtliche Papiere ab, um deren Herkunft zu verschleiern und sich selbst vor Entdeckung zu schützen. Dann muss der Asylsuchende Beweise über seine Herkunft erbringen, wofür auch die Botschaften der entsprechenden Länder kontaktiert werden. Dies dauert oftmals Monate bis Jahre.

15 Dazu zählen u.a.: Vertreibung und Trennung von Familien, Folter, sexuelle Gewalt (besonders gegenüber Frauen), Missbrauch als Kindersoldat (vgl. Amnesty International 2001).

16 Im Jahr 2002 wurden lediglich 1,83% der Asylbewerber nach § 16a GG anerkannt, bei weiteren 3,17% Abschiebehindernisse nach § 51Abs. 1 AuslG gemäß der Genfer Konvention festgestellt (vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 2003).

17 AsylVfG vom 27. Juli 1993, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997 (Bundesgesetzblatt I:2584).

18 In den untersuchten Heimen legten einige Hausmeister trotzdem Wert auf Information über Sprachkurse, und in einem Fall sorgt eine Hausmeisterin für den regelmäßigen Schulbesuch „ihrer" Kinder.

19 „Die nach dem AsylBlG gewährten Leistungen liegen rund 25% unter den Sozialhilfesätzen ..." (Kothen 2002: 58).

20 Eine Bezeichnung für Heime mit Mehrbettzimmern für Einzelpersonen und Räumen für Familien.

21 Vgl. dazu Strasser/Zdun (2003) in ihrer Analyse der jugendlichen Russlanddeutschen.

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